Über die Pünktlichkeit unserer Regionallinie S8 (Kamenz<->Dresden) wurde in den letzten Jahren viel gestritten. Gleichzeitig weiß niemand so recht, wie unpünktlich sie eigentlich wirklich ist. Weil es hierzu schlicht keine Daten gibt, habe ich mir ein kleines Programm geschrieben, welches die Pünktlichkeit der S8 rund um die Uhr erfasst. Und weil die Ergebnisse dieses Spaßprojekts nun einmal da sind, stelle ich sie hier auch gleich wöchentlich aktualisiert allen zur Verfügung.
Es war etwa Ende 2023, als ich von der enormen Unzuverlässigkeit dieser kleinen Strecke so genervt war, dass ich die Bahn und den Verkehrsverbund um Daten gebeten habe. Ich wollte wissen, ob meine Unzufriedenheit begründet war. Denn ich hatte eben nicht den Eindruck, dass ich ein Opfer lauter Zufälle war. Man spürte den Unmut am Gleis und im Zug, es bildeten sich Facebook-Gruppen, es wurden Stadtratsmitglieder aktiv, es gab mediale Berichte (1, 2, 3, 4) und immer wieder hörte ich, dass regionale Arbeitgeber ihren Leuten das Auto nahelegten.
Mir ist natürlich klar, dass die Deutsche Bahn auch (oder gerade) in Sachsen mit demografischen Problemen und Personalmängeln zu kämpfen hat. Gleichzeitig aber gibt es auch einen massiven Investitionsstau – also politische Gründe für viele Probleme.1Seit der Bahnreform 1994 ist die Betriebsleistung um 28% gestiegen, das Netz hingegen um 17% (bezogen auf die Betriebslänge in Kilometern) geschrumpft. Es kommt zu Störungen und Baustellen und die Pünktlichkeit leidet massiv. Das gilt insbesondere für das hochbelastete Netz. „Der Zustand der Eisenbahninfrastruktur wird daher aktuell den Ansprüchen unserer Kunden an Qualität und Kapazität nicht gerecht“ (Integrierter Bericht 2023). Und diese haben eben ganz konkrete Auswirkungen gerade auch in ländlichen Räumen. Mir geht´s also gar nicht darum, die Deutsche Bahn ins schlechte Licht zu rücken. Stattdessen wollte ich einfach mit maximaler Fairness prüfen, ob der subjektive Eindruck einer immer unzuverlässigeren Bahn auch mit den objektiven Daten zusammenpasst. Und weil eine Datenanfrage an den Verkehrsverbund (VVO) und die Deutsche Bahn vergebens waren, mussten also selbst erzeugte…
…Daten her!
Und das funktioniert mit einigem Aufwand über die Deutsche Bahn selbst. Denn sie stellt – und hier hat sie sich wirklich ein Lob verdient – eine API-Schnittstelle zur Verfügung2 Angeboten wird sie hier: DB API Marketplace . Ich verwende den Timetables-Katalog., über welche man sich die Daten jederzeit abrufen kann. Vergangene Fahrten sind allerdings nicht abrufbar, weil alle Zuginformationen nach wenigen Stunden verschwinden. Also habe ich mir eine Syntax programmiert, welche rund um die Uhr die Daten abfragt, archiviert, zu interaktiven Abbildungen verpackt, auf einen Server hochlädt und diesen Beitrag automatisiert wöchentlich aktualisiert.
Beim Datenbezug konzentriere ich mich auf den Streckenabschnitt Radeberg <-> Kamenz(Sachs), weil hier es hier nur die S8 gibt und keine Alternativen zur Verfügung stehen.3Während zwischen Dresden und Radeberg im Notfall mehrere alternative Zugverbindungen zur Verfügung stehen, gibt es diese zwischen Kamenz und Radeberg nicht. Auf den Gleisen fährt hier nur die S8. Treten Probleme auf, bleibt dann oft nur das Abwarten. Alternativ könnte man auch auf die Busse ausweichen, welche die ländlich gelegenen Kleinstädte und Dörfer befahren. Auf sie auszuweichen ist aber aufgrund der deutlich geringeren Kapazitäten und der langen Fahrzeiten in der Regel keine Option. Mein Ziel ist eine Vollerhebung. Ich versuche also, 100% aller Züge zu protokollieren und abzubilden. Dadurch ist es praktisch unmöglich, nur zugunsten reißerischer Aussagen bestimmte Zeiträume separat zu betrachten.
Streckenabschnitt der Teilstrecke Dresden – Radeberg – Kamenz (VVO)
Bevor wir zu den Ergebnissen kommen noch ein Hinweis: Für mich war es damals primär ein kleines Spaßprojekt, mit dem ich mir privat ein paar Fragen beantworten wollte. Als das Programm dann aber stand, kam mir die Idee, es doch einfach endlos weiterlaufen zu lassen und die Ergebnisse allen zur Verfügung zu stellen. Und spätestens jetzt muss betont werden: Seid wie immer vorsichtig bei der Interpretation und Verwendung von derart hergestellten Ergebnissen. Ich produziere die Daten natürlich nach bestem Wissen und Gewissen, aber Fehler können natürlich trotzdem immer passieren. Wer welche findet, darf sich gerne bei mir melden.
+++++ ACHTUNG +++++
Die Abbildungen beinhalten immer die vergangene Kalenderwoche und werden jeden Montagmorgen aktualisiert.
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Ergebnisse
(I) Anzahl gefahrener Züge
Die erste Abbildung zeigt, wie viele Züge pro Kalenderwoche überhaupt in meine Analyse eingingen. Wie gesagt, sollten fast 100% der gefahrenen Züge enthalten sein. Es handelt sich also auch um eine Art Kontrollgrafik, in welcher ungewollte und fahrplangemäße Schwankungen sichtbar sind. Ersteres tritt auf, wenn sich z.B. mein System ungewollt verabschiedet und mir einige Züge durch die Lappen gehen. Die allermeisten Schwankungen sind jedoch fahrplangemäß, z.B. durch sich ändernde Fahrpläne, Sonn-/Feiertage, Baustellen, Sonderzüge aufgrund von Stadtfesten und so weiter. Bei allzu gravierenden Ausfällen droht eine Datenverzerrung, weshalb ich dann komplette Kalenderwochen aus dem Datensatz entferne. Wann das bereits passiert ist, ist im folgendem Aufklappmenü einzusehen.
Entfernte Kalenderwoche / Jahr | Grund |
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13 / 2025 | Baustelle: Komplette Änderung der Strecke. In Radeberg fuhren nur Busse bis Arnsdorf, von wo aus die S8 schließlich nach Kamenz startete. Dadurch kamen kaum Zugfahrten zustande, die hier hätten einfließen können. |
Wie ihr seht, fahren auf beiden Strecken in etwa gleich viele Züge. Insgesamt sind es in der Regel pro Strecke über 180 und damit insgesamt mehr als 360 Stück pro Kalenderwoche.
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(II) Wie hoch ist der Anteil verspäteter bzw. ausgefallener Züge?
Die Deutsche Bahn definiert einen Zug als unpünktlich, wenn ein Zielbahnhof mit mehr als sechs Minuten Verspätung erreicht wurde. Eine Verspätung von bspw. fünf Minuten gilt also als pünktlich. 2024 waren laut DB-Daten rund neun Prozent aller DB-Regio-Züge unpünktlich (rote Linie).
Nun nehme ich mir im ersten Schritt diese Definition und wende diese auf meine aufgezeichneten Fahrten der S8 an. Die folgende Abbildung zeigt also den Anteil der unpünktlichen oder ganz ausgefallenen Züge pro Kalenderwoche. Auf der hier betrachteten Strecke zeigt sich bspw. im ersten Halbjahr 2025, dass die Deutsche Bahn in der Regel pünktlicher fuhr als im bundesweiten Durchschnitt (weil unterhalb der Linie).
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(III) Welche konkreten Verspätungen sind im Zeitverlauf zu beobachten?
Nun hat man einen Eindruck davon, wie hoch der Anteil unpünktlicher Züge insgesamt ist. Weil ich oben aber die Definition der Deutschen Bahn verwendet habe, wurde kein Unterschied zwischen einer sechsminütigen oder gar 30-minütigen Verspätung gemacht. Meiner Ansicht nach ist es aber durchaus relevant, ob ich sechs oder 30 Minuten auf einen Zug warten muss.
Daher ordne ich nun jedem gefahrenen Zug einen definierten Verspätungstyp zu. Die Spanne reicht dabei von „planmäßig“ (also praktisch auf die Minute genau) über „mehr als 30 Minuten“ Verspätung bis hin zu „ausgefallen“. Auch das wird wieder als laufende Zeitreihe für beide Fahrtrichtungen separat abgebildet.
Auf der Strecke von Radeberg nach Kamenz waren in der siebten Kalenderwoche 2025 knapp 70 Prozent der Züge auf die Minute pünktlich. Weitere 30 Prozent wichen geringfügig vom Fahrplan ab und nur 0,6% fielen aus. Gemessen an der Pünktlichkeitsdefinition der Deutschen Bahn waren in dieser Kalenderwoche also 91 Prozent der Züge pünktlich. Oder anders formuliert: Neun Prozent waren unpünktlich oder fielen aus.
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(IV) An welchen Tagen & Uhrzeiten treten die Verspätungen in der Regel auf?
Interessant ist auch, wann die Verspätungen (mit mehr als 6 Minuten) im Durchschnitt auftreten. Hierfür nehme ich mir jeden einzelnen Wochentag der letzten Monate und schaue, wie hoch der Anteil der verspäteten Züge innerhalb einer jeden Stunde des jeweiligen Tages war. Dadurch lässt sich auf einen Blick erkennen, wann man eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf eine Unregelmäßigkeit im Fahrplan hat.
Ihr lest die Abbildung wie folgt: In der Zeile stehen die Wochentage, in der Spalte die Uhrzeiten. Der Schnittpunkt zwischen beiden bildet den prozentualen Anteil der verspäteten/ausgefallenen Zügen an allen in diesem Zeitfenster gefahrenen Zügen ab. Ist nichts enthalten, fuhren hier nur wenige Züge oder es wurden schlicht keine Verspätungen registriert.4In der Abbildung sind auf der X-Achse zwar alle Uhrzeiten aufgelistet, zu denen ein Zug fuhr. Um Fehlschlüsse zu vermeiden, wird eine Uhrzeit allerdings nur dann mit Ergebnissen befüllt, wenn überhaupt ausreichend viele Fahrten vorhanden waren. Beispielsweise verkehren kurz nach Mitternacht nur selten Züge. Sollte zu spezifischen Anlässen dann doch mal eine Extralinie fahren und sollte ausgerechnet diese sich verspäten, würde hier eine 100-Prozent-Verspätung sichtbar. Das verzerrt natürlich völlig das Bild und ist hier entsprechend nicht enthalten. Ein Quadrat hebt entsprechend seiner Größe und Farbintensität die Dimension der Verspätungen hervor: Je größer und rötlicher das Quadrat ist, desto häufiger wichen die Züge in diesem Zeitfenster vom Fahrplan ab.
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